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Institutsgeschichte

Anatomie vor der Einrichtung eines Lehrstuhles

1386
Gründungsjahr der Heidelberger Universität mit den drei Fakultäten Theologie, Rechtswissenschaften und Philosophie.

1388
Einrichtung der medizinischen Fakultät. Der erste Gelehrter ist Hermann von Höxter.

1482
Eine zweite Professur für Medizin wird besetzt.

1522 - 1557
Zeitweilig unterrichteten drei bis vier Mediziner die Studierenden. Der Unterricht wird bereits in deutscher Sprache abgehalten. Die Ausbildung in der Anatomie besteht in der Regel aus Vorlesungen der damaligen medizinischen Standardwerke wie z. B. des Hippokrates (ca. 460-370 v. Chr.), Galen (ca. 129-216 n.Chr.), oder Andreas Vesal (1514-1564).

1558
Kurfürst Ottheinrich (1502-1559) reformiert die Studien- und Ausbildungsverordnung. Die Studierenden sollen die Grundlagen der Funktionen des menschlichen Körpers erlernen aber auch Patienten am Krankenlager untersuchen und sogar chirurgische Kenntnisse erwerben. Damit die zukünftigen Ärzte auch über Kenntnisse der Arzneimittellehre verfügen, wird während der Sommerzeit Botanik gelesen, der Anatomieunterricht erfolgt im Wintersemester.

1569
Das wahrscheinlich erste Lehrpräparat, ein Skelett, wird erworben.

1595
Anatomische Untersuchungen werden gestattet. Hierzu sollen menschliche Leichen, insbesondere die sterblichen Reste Hingerichteter oder durch Angehörige gespendete Leichname, seziert werden.

1661 - 1662
Wahrscheinlich finden hier die ersten Zergliederungsübungen menschlicher Leichen statt.

1687
Johann Conrad Brunner (1653-1727) arbeitet ein Jahr in Heidelberg und publiziert hier eine Arbeit über die nach ihm benannten Drüsen des Zwölffingerdarms.

1792 - 1805
Der Chirurg Franz Xaver Moser (1747-1833) unterrichtet in Heidelberg Anatomie. Er erstellt eine erste Zusammenfassung der anatomischen Präparate, die sich zu dieser Zeit in Heidelberg befinden.

1803
Mannheim und Heidelberg werden im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses dem Großherzogtum Baden zugeschlagen. Kurfürst (ab 1806 Großherzog) Karl Friedrich von Baden (1728-1811) nimmt eine gründliche Reorganisation der nun staatlich finanzierten Universität durch, in deren Folge der erste Lehrstuhl für Anatomie in Heidelberg errichtet wird.

 

Anatomischer Unterricht nach Einrichtung eines anatomischen Lehrstuhles

1805 – 1872
Deskriptive Anatomie

1805 - 1815
Fidelius Ackermann (1765-18159) wird zum ersten Ordinarius für Anatomie bestallt. Außer Anatomie unterrichtet er Chirurgie, Augenheilkunde, Pathologische Anatomie, Galvanismus und führt zusammen mit seinem Kollegen Moser chirurgische Operationsübungen an Leichen durch. Ackermann begründet auch die Heidelberger Poliklinik, in der er unentgeltlich arme Mitbürger behandelte. Er stirbt 1815 an Nierenversagen.

1816 - 1849
Friedrich Tiedemann (1781-1861) wird Ackermanns Nachfolger. Er bringt eine große Sammlung anatomischer Präparate und Modelle mit, erstellt in Heidelberg unzählige neue anatomische Präparate und forscht im Bereich der Embryologie, der Pathologie und der Physiologie.

1819 - 1826
Tiedemanns Schwiegersohn Vincenz Fohmann (1794-1837) arbeitet in Heidelberg als Prosektor und wird über die Grenzen Deutschlands hinaus für seine unvergleichlich filigranen Quecksilber-Injektionspräparate des „Saugadersystems“ (das heutige Lymphsystem) bekannt. Er verlässt Heidelberg, um den Lehrstuhl für Anatomie in Brüssel zu besetzen. Dort stirbt er mit 43 Jahren als angesehener Anatom an einer Quecksilber Vergiftung. Seine Frau, Cunnigunde Fohmann, geborene Tiedemann, kommt mit dem gemeinsamen Kind zurück nach Heidelberg und heiratet zwei Jahre später Ludwig Theodor Bischoff, einen anderen Mitarbeiter ihres Vaters.

1826 - 1835
Friedrich Arnold (1803-1890) wird Fohmanns Nachfolger als Prosektor in Heidelberg. Er verlässt Heidelberg 1835 und geht nach Zürich, Freiburg im Breisgau und Tübingen, wird aber 1852 als Institutsleiter nach Heidelberg zurückkommen.

 

1834 - 1873
Anton Nuhn (1814-1889) studiert in Heidelberg, tritt als Assistent in der Anatomie ein, wird Privatdozent, 1845 Prosektor und 1848 außerordentlicher Professor. Nuhn ist fast 40 Jahre am Institut tätig und veröffentlicht während dieser Zeit auch einige Lehrbücher.

1835 - 1843
Ludwig Theodor Bischoff (1807-1882) arbeitet von 1835 bis 1843 in Heidelberg. Er erhält 1842 einen Ruf nach Giessen, dem er 1843 folgt. Seine Arbeiten über die Entwicklung des Kaninchens werden allgemein anerkannt, die Heirat mit Tiedemanns Tochter Cunnigunde Fohmann jedoch wird gesellschaftlich verurteilt. Daher wechselt er 1843 gerne nach Giessen. Dort wird er Professor für Physiologie. Später wird er nach München berufen. Er setzt sich scharf gegen solche Frauen ein, die ein Studium aufnehmen wollen, da sie laut seinen Anatomischen Studien physisch sowohl auch psychisch nicht geeignet sein.

1835 - 1841
Ludwig Kobelt (1804-1857) übernimmt die freigewordenen Stelle Arnolds und wird Prosektor. Er erstellt sehr elaborierte Präparationen, die seither nichts von ihrer Faszination verloren haben. Einige davon befinden sich noch heute im Institutsbesitz. Kobelt muss wegen eines abteilungsinternen Streits mit Bischoff seine Stelle mit der des Freiburger Prosektors Alexander Ecker tauschen.

1841 - 1844
Alexander Ecker ( 1816-1887) kommt aus Freiburg. Er bleibt nur drei Jahre in Heidelberg und wechselt im Anschluss nach Basel, um dort eine ordentliche Professur anzunehmen. Ecker interessiert sich sehr für Anthropologie und war u. a. an Grabungen in der Nähe des Kaiserstuhls beteiligt.

 

1844 - 1850
Carl Wilhelm Ludwig Bruch (1819-1884) arbeitet eng mit Henle zusammen. Beide verankern die mikroskopische Anatomie fest in der Heidelberger Lehre. Bruch führt bis zur Gründung des pathologischen Instituts im Jahr 1866 im Auftrag seiner klinisch tätigen Kollegen Sektionen durch und untersucht die Gewebe von krankheitsbedingt Verstorbenen am Mikroskop. 1850 wechselt auch er nach Basel, um dort in der Anatomie zu arbeiten.

 

1844 - 1852
Jacob Henle (1809-1885) hat an mehreren Universitäten in Deutschland studiert und war bereits in jungen Jahren an die Universität Zürich berufen worden. Er soll als gleichberechtigter Ordinarius neben Tiedemann in Heidelberg forschen und lehren. Die beiden sind jedoch charakterlich nahezu inkompatibel; während Tiedemann den Traditionen verhaftet ist, will Henle eine neue, „rationelle Medicin“ begründen, zu der für ihn insbesondere auch die mikroskopische Anatomie gehört. Die beiden geraten im weiteren Verlauf ihrer Zusammenarbeit u.a. über den geplanten Neubau in heftige Auseinandersetzungen. 1852 übernimmt Henle einen Lehrstuhl in Göttingen.

1849
Der Sohn Friedrich Tiedemanns Gustav wurde als Freischärler im August 1849 in Rastatt standrechtlich erschossen. Tiedemanns Sohn Heinrich war mit der Schwester des Revolutionsführers Friedrich Hecker verheiratet, der in Konstanz die Republik ausgerufen hatte. Heinrich Tiedemann flieht mit der Familie seiner Frau in die USA. Friedrich Tiedemann nimmt darauf hin den von Henle herbei gesehnten Abschied von seinem Amt.

1852
Friedrich Arnold (1803-1890) soll Henle ersetzten und wird Leiter des anatomischen Instituts. Er erstellt unzählige hervorragende Präparate des Nervensystems, die in den daraus resultierenden Veröffentlichungen ausgezeichnet dokumentiert werden. Sein Sohn Julius wird 1866 der erste hauptamtliche Pathologe in Heidelberg.

 

1873 – 1921
Vergleichende Anatomie

 

1873 - 1901
Carl Gegenbaur (1826-1903), der Schwiegersohn Arnolds, wird dessen Nachfolger. Die zu dieser Zeit auch in anderen Universitäten aufkommende Diskussion um die einzuschlagende Richtung der Anatomie (topographisch oder vergleichend), teilt auch die Heidelberger Berufungskommission in zwei Lager. Die „Vergleichenden Anatomen“ jedoch gewinnen und Gegenbaur kommt aus Jena nach Heidelberg. Die Sammlung anatomischer Präparate wird unter seiner Leitung durch Präparate zum Bewegungsapparat, zur Entwicklung des Menschen, gesammelte Schädel für seine anthropologische Sammlung und viele zoologische Präparate vermehrt. Nach seinem krankheitsbedingten Ausscheiden im Jahre 1901 nimmt sein ehemaliger Schüler Max Fürbringer, der zugleich sein Schwiegersohn war, den Platz des Institutsleiters ein.

1879 - 1889
Georg Ruge ( 1852-1919) kommt als Assistent zu Gegenbaur. Er beschäftigt sich mit der Forschung an Primaten, speziell mit deren Muskulatur. Ruge folgt dem Ruf auf eine Anatomie Professur in Amsterdam. Er erstellt einige Präparate, von denen noch ein Feuchtpräparat in der heutigen Ausstellung zu sehen ist.

 

1889 - 1901
Friedrich Maurer (1859-1936) ersetzt Ruge. Maurer ist ein ehemaliger Gegenbaur Schüler aus Jena. Auch er interessiert sich in der Hauptsache für die Vergleichende Anatomie und Anthropologie. Maurer geht nach kurzer Zeit in Heidelberg 1901 wieder zurück nach Jena, um dort den Lehrstuhl der Anatomie zu besetzen.

 

1892 - 1913
Ernst Göppert (1866-1945) ist ebenso wie Gegenbaur ein „Vergleichender Anatom“. Er habilitiert sich 1895 in Heidelberg. Bei den von ihm für die anatomische Sammlung erstellten Präparaten handelt es sich in der Hauptsache um Schnitte durch den menschlichen Körper, also Präparate, die eher geeignet sind, topographische Themen zu behandeln. Göppert verlässt das Institut, um in Frankfurt am Main das Amt eines ordentlichen Professors zu übernehmen.

 

1901 - 1912
Max Karl Fürbringer (1846-1920) wird 1901 Institutsleiter. Er ist Zoologe und ebenso Anatom, sein Forschungsgebiet ist die Morphologie und Systematik der Vögel. Er klassifiziert jedoch auch Reptilien, Fische und Säugetiere. Mit ihm kommt auch sein Prosektor und Schwiegersohn Hermann Braus nach Heidelberg. Seine Bücher werden auf eindrucksvolle, künstlerische Weise von ihm selbst illustriert. Er geht 1912 in den Ruhestand.

 

1912 - 1921
Nun wird Hermann Braus (1868-1924) Institutsleiter. Dessen Forschung wendet sich bereits teilweise von der Vergleichenden Anatomie ab und der experimentellen Embryologie zu. Seine Lehre ist ebenso wie seine Forschung durch Experimentierfreude geprägt. Er setzt im Unterricht die damals erfundenen Röntgenbilder ein, hat bereits zu Beginn des 20. Jahrhundert ein Fotolabor eingerichtet und lässt in einem Projektionsraum wissenschaftliche Filme vorführen. 1916 nehmen zwei seiner Studenten eine Inventur aller vorhandenen Präparate vor, die in einem Sammlungskatalog festgehalten wird. In seinem Lehrbuch „Anatomie des Menschen“ legt als einer der ersten Anatomen großen Wert auf eine integrierende Betrachtungsweise der einzelnen Strukturen des menschlichen Körpers. 1921 verlässt Braus die Universität, um einem Ruf nach Würzburg zu folgen.

1912 – 1921
Curt Elze (1885-1972) habilitiert sich 1913, kurz nachdem er in Heidelberg seine Stelle antritt. Seine Interessen liegen auf dem Gebiet der Entwicklungsgeschichte des Menschen, er führt aber auch das anatomische Lehrbuch von Braus nach dessen Tod weiter. Elze erstellt anatomische Präparate für die Sammlung, von denen eines noch erhalten und in der Dauerausstellung zu besichtigen ist.

 

1914 - 1921
Auch Hans Petersen (1885-1946) habilitiert sich 1914 mit einem Thema aus dem Gebiet der Vergleichenden Anatomie. Er schreibt weiterhin Lehrbücher aus dem Bereich der Histologie. Petersen wechselt nach Würzburg, wo er später Anatomie und Biologie unterrichtete.

Ackermann: http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/anatomie/ackermann.html
Arnold: http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/anatomie/arnold.html
Braus: http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/anatomie/braus.html
Bruch: http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/anatomie/bruch.html
Ecker : http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/anatomie/ecker.html
Fohmann: http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/anatomie/fohmann.html
Fürbringer: http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/anatomie/fuerbringer.html
Gegenbaur: http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/anatomie/gegenbaur.html
Henle: http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/anatomie/henle.html
Kobelt: http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/anatomie/kobelt.html
Nuhn: http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/anatomie/nuhn.html
Tiedemann: http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/anatomie/tiedemann.html


Baugeschichte des Institutes

1391
Das „Theatrum Anatomicum“ wird in einem dreistöckigen Haus der Dreikönigsstraße, das zum Teil auch von Juristen genutzt wurde, eingerichtet.

1771
Das Anatomische Theater zieht in die Nähe der Peterskirche. Ein Haus „In der Plöck“, Ecke Sandgasse diente nun als Obduktionsgebäude. Dieses Haus wurde 1806 an den Philosophen und Philologen Johann Heinrich Voss (1751-1826) verkauft und später abgerissen. Auf dem Gelände befindet sich heute die Turnhalle der Friedrich-Ebert-Schule.

1805
Das neugegründete Anatomische Institut wird in das säkularisierte Dominikanerkloster in die Brunnengasse verlegt. Das anatomische Theater kommt in den Chor, das Kirchenschiff wurde in mehrere Sektionsräume aufgeteilt und die Lehrpräparate in den übrigen Räumen aufgestellt. Hier fanden unter anderem auch die Lehrstühle der Physik, Chemie und Zoologie Platz.

 

1846
Ein gemeinsamer Neubau für die Anatomie und Zoologie wird genehmigt. Die Chemie und Physik werden getrennt, sie bekommen neue Räumlichkeiten in anderen Neubauten zugeteilt.

1847
Die Anwohner der Anatomie verfassen ein Bittschreiben an das Ministerium, in dem sie ihrem Unmut über den Gestank, der bei der Mazeration der Knochen entsteht, und über den Anblick der im freien, zum trocknen ausliegenden Knochen sowie ihre Angst vor ansteckenden Krankheiten zum Ausdruck bringen. Der Streit eskaliert, er wurde durch Professor Tiedemann, der damalige Institutsleiter und den Anliegern öffentlich in den Tageszeitungen ausgetragen. Die Mauer um das Gebäude wird darauf hin etwas erhöht und die Leichenaufbewahrung vom Nebenhaus in das Haupthaus verlegt.

1849
Das neu errichtete Gebäude in der Brunnengasse wird, nachdem es zuvor von Revolutionären der badischen Revolution besetzt wird, durch die Anatomen und Zoologen bezogen.

1875 - 1896
Das Gebäude erfährt mehrere Erweiterungen und Renovierungen.

1894
Die Zoologie zieht in ein eigenes Gebäude in die Sophienstraße.

1964
Das Gebäude wird erneut renoviert, es wird außerdem mit einer neuen Innenausstattung ausgerüstet.

1974
Die Anatomie zieht nach fast 125 Jahren in einen Neubau, der „Im Neuenheimer Feld 307“ liegt.