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Erinnern heißt Gedenken und Informieren. Die nationalsozialistische ‚Euthanasie‘ und der historische Ort Berliner Tiergartenstraße 4 (abgeschlossen)

Förderung: DFG (Erkenntnistransferprojekt)
Projektleitung: Prof. Dr. Gerrit Hohendorf (TU München, Leitung) und Prof. Dr. Maike Rotzoll (Co-Leitung)
Projektmitarbeiter*innen:  Dr. Christof Beyer, Dr. Annette Hinz-Wessels, Dr. Jens Thiel, Hedwig Thelen
Projektlaufzeit: 2012–2016

Der Deutsche Bundestag beschloss 2011, am historischen Ort der Berliner Tiergartenstraße 4, der zentralen Stelle von Planung und Organisation der „Aktion T4“, über die nationalsozialistischen Krankenmorde, die Zwangssterilisationen und andere damit zusammenhängende Verbrechen zu informieren. Dabei sollen bestehende Defizite in der Aufarbeitung der Thematik, insbesondere in der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Opfer, aufgegriffen werden. Für die künstlerische Gestaltung des Gedenkortes hatte das Land Berlin einen Wettbewerb ausgelobt. Im Rahmen der Realisierung sollte das Erkenntnis-Transferprojekt die in dem DFG-Projekt „Wissenschaftliche Erschließung und Auswertung des Krankenaktenbestandes der nationalsozialistischen ‚Euthanasie’-Aktion ‚T4’“ gewonnenen und in der Forschung breit rezipierten Ergebnisse im öffentlichen Raum sichtbar machen. Die Zusammenstellung und Aufarbeitung der historischen Information für eine weitgehend barrierefreie Präsentation am historischen Ort, in einem Katalog und im Internet erfolgte auf der Grundlage eines Kooperationsvertrages mit der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, die mit der inhaltlichen Umsetzung des Bundestagsbeschlusses beauftragt war. Das Erkenntnistransferprojekt bot die Gewähr für eine wissenschaftlich fundierte Darstellung von NS-Euthanasie und Zwangssterilisation. Es trägt dazu bei, die Opfer der nationalsozialistischen Medizinverbrechen stärker in der öffentlichen Erinnerungskultur zu verankern.

To remember means to commemorate and to inform: The Nazi "Euthanasia programme" and the historic site at Tiergartenstraße 4 in Berlin – A knowledge transfer project

In November 2011, the German Bundestag voted to raise the status of the “Memorial to the Victims of the Nazi Euthanasia” at Tiergartenstraße 4 in Berlin. The Bundestag agreed to provide information about the killing of patients, forced sterilization and other related crimes committed by the Nazi regime” at the historic site where the planning and organization of the so called “Action T4” were executed. The artistic design of the memorial site had been tendered for competition by the state of Berlin. As part of the realization of the chosen design draft, the knowledge transfer project wanted to make the results obtained in the DFG project “Scientific Investigation and Evaluation of Medical Record Inventory of the Nazi Euthanasia Action T4” which already is widely received in academic research visible to the public sphere and available to a wider audience. The compilation and treatment of the historic information for a barrier- free presentation at the historic site as well as for a catalogue and in an internet website follows from the basis of a co-operative contract with the Foundation Memorial to the Murdered Jews of Europe which was assigned by the substantive implementation of the Bundestag's resolution. The submitted project guaranteed a scientifically sound presentation of Nazi Euthanasia and forced sterilization. Concerning its content, the project manifests the public's culture of remembrance of the Nazi medical crime victims.

https://www.stiftung-anerkennung-und-hilfe.de/DE/Aufarbeitung/aufarbeitung.html

NS-‚Euthanasie‘ in der Anstalt Konradstein/Kocborowo (abgeschlossen)

Förderung: EVZ – Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft
Projektleitung: Prof. Dr. Maike Rotzoll
Projektmitarbeiter: Robert Parzer und Dr. Dietmar Schulze
Projektlaufzeit: 2017–2019

Die Ermordung von psychiatrischen Patient*innen betraf im Reichsgau Danzig-Westpreußen sowohl Piasnica wie auch die Heil- und Pflegeanstalt Kocborowo/Konradstein. In Piasnica wurden Patienten aus dem „Altreich“ ermordet, in Konradstein vor allem polnische Bewohner des Krankenhauses. Beide Opfergruppen sind bisher nur äußerst unzureichend erforscht. Momentan erarbeitet das Muzeum Piaś nickie in Wejherowo eine Dauerausstellung, die in einem neuen Museumssitz in Wejherowo und vor Ort in den Wäldern, in denen die Erschießungen stattfanden, präsentiert werden soll. Diese Bildungsprojekte umfassen die gesamte Geschichte der Verfolgung und Ermordung von Polen im Zweiten Weltkrieg und damit insbesondere auch die Massenmorde an polnischen Intellektuellen, die ebenfalls in den Wäldern bei Piasnica erschossen wurden. Die Forschungen zum Schicksal der Patienten der Anstalt Kocborowo/Konradstein sollten Impulse liefern, wie auch die Lebensgeschichten der ermordeten Patient*innen in die Ausstellung einbezogen werden können. Ziel des Projekts war weiterhin das Erstellen eines Gedenkbuchs für die Opfer der nationalsozialistischen Patientenmorde in Kocborowo/Konradstein, das 2019 erschienen ist (Parzer, Robert; Rotzoll, Maike; Schulze, Dietmar: Die besetzte Anstalt. Die Psychiatrie in Kocborowo/Konradstein (Polen/Westpreußen) und ihre Opfer im Zweiten Weltkrieg, Köln: Psychiatrie-Verlag, 2019).

https://www.stiftung-evz.de/projekte/projektfinder.html

Krankheitskonzepte im Faschismus und Nationalsozialismus im Vergleich. Das Beispiel der Infektionskrankheiten Tuberkulose, Syphilis und Diphtherie (EC 135.21-2, Krankheitskonzepte) (abgeschlossen)

Projektleitung: Dr. Alessandra Parodi
Projektlaufzeit: 2011–2014

Die Arbeit behandelte die drei Infektionskrankheiten Tuberkulose, Syphilis und Diphtherie, wie sie mit Bedeutungen und Konnotationen im faschistischen und im nationalsozialistischen Regime aufgeladen wurden, insbesondere im Zuge medizinischer und gesundheitspolitischer Debatten, die hier in größtmöglicher Breite und Tiefe eruiert wurden. Dabei wurde auch das vor-nationalsozialistische ‚Weimarer‘ Deutschland berücksichtigt, um so den komparativen und auf die Transferproblematik zielenden Ansatz in einem einheitlichen Zeitraum (von 1920-1940) verfolgen zu können. Der Untersuchung lag ein beträchtlicher Korpus von deutschen und italienischen Fachartikeln, zentralen Monographien sowie eine ganze Reihe populärwissenschaftlicher Publikationen auch im transnationalen Zusammenhang zugrunde.

Zum Ersten wurden die einschlägigen Diskurse rekonstruiert und miteinander verglichen. Zum Zweiten wurden die Beziehungen zwischen internen medizinischen Diskursen und umgebenden einflussnehmenden ideologischen und kulturellen Größen herausgearbeitet. Zum Dritten wurde das Feld des Medizinischen als Indikator genutzt, um generelle Erkenntnisse über die Relevanz jeweiliger ideologischer Schlüsselbegriffe sowie zu den problematischen politischen Relationen beider Länder zu gewinnen. In den drei Fällen der Infektionskrankheiten zeichnete sich das Bild ab, das jedes Regime von sich abgeben wollte und das, das es tatsächlich abgab. Das Bild der Beziehungen zwischen dem faschistischen Italien und dem nationalsozialistischen Deutschland, das aus den im Projekt ausgewerteten Quellen entsteht, zeigt eine beiderseitig notwendige Haltung der Duldung eines im Grunde unbeliebten Alliierten.