Hygiene exportieren, mit Gesundheit experimentieren. Die italienische Kolonialmedizin im Versuchsfeld Libyen 1912–1940 (abgeschlossen)
Förderung: DFG
Projektleitung (eigene Stelle): Dr. Alessandra Parodi
Projektlaufzeit: 2019–2021
Die Diskussion in den Geschichtswissenschaften hat auf internationaler Ebene inzwischen die Frage nach kolonialen Herrschaftspraktiken erreicht. Doch das Thema des italienischen Exportmodells der Hygienisierung der kolonialen Bevölkerung in Libyen – sowohl der Einheimischen wie der zugewanderten italienischen Siedler - blieb bislang in der allgemein- und medizinhistorischen Forschung unbeachtet. Hygienisierung steht in diesem Kontext für Erziehung und Akkulturierung von Individuen und kolonialer Bevölkerung nach europäischen Standards von Sauberkeit und für einen Zugang zur nach italienischen Vorbildern strukturierten Gesundheitsversorgung. Es ging um ein politisches und pädagogisches Projekt, in dem erhebliche Ressourcen eingesetzt wurden. Hygiene und Hygienisierung werden als entscheidende Komponenten der Kolonialmedizin betrachtet, die wiederum als ein erfassendes, kuratives und präventives sowie strategisches Unternehmen zu verstehen ist.
Das Thema ordnet sich in zwei Forschungszusammenhänge ein: Zum einen in die allgemeine Geschichte des europäischen und italienischen Kolonialismus, und dies vor dem Hintergrund von hoch differenzierten diskursiven Zusammenhängen im kolonisierenden Italien. Zum anderen geht es um ein sich nun ausdifferenzierendes Gebiet der internationalen medizinhistorischen Forschung. Deren Untersuchungsspektrum reicht von der Frage nach transnationalen medizinischen und biologischen Wissenstransfers, über den Experimentiercharakter des gesamten Kolonialprojekts bis zur charakteristischen Bereitschaft, gesundheitspolitische Ziele auch per manifester Gewalt durchzusetzen, sowie bis zu den in das Feld eingehenden bevölkerungspolitischen Intentionen. Diese Dimensionen werden hier in einem historischen Gesamtbild von Kolonialmedizin zusammengeführt.